Am 12. März erschien bei der NZZ ein Beitrag mit dem Titel „Vorher war der Sex besser“ von Clemens J. Setz. Dazu haben wir am Folgetag diesen Leser*innenbrief an die Feuilleton-Redaktion geschickt:
Der persönliche Bericht von Clemens J. Setz hat uns und andere Betroffene, die darunter leiden, dass ihnen die Vorhaut abgeschnitten wurde, berührt und bewegt. So schmerzvoll seine eindrücklich geschilderte Erfahrung gewesen sein muss, so wertvoll sind seine offenen Worte zu diesem äusserst tabuisierten und stark vorurteilsbehafteten Thema. Viele, die sich vorher mit ihrem Leid allein gefühlt haben, werden nach dieser Lektüre wissen, dass sie dies nicht sind, sie diese Gefühle zulassen dürfen und auch andere sie empfinden. Vielleicht wird es ihnen sogar den Mut geben, ihre Scham zu überwinden und das Schweigen zu brechen. Das ist umso wichtiger, um Kinder davor zu schützen, dass dieser Eingriff an ihnen ohne medizinische Notwendigkeit vorgenommen wird, wie dies leider auch hier in der Schweiz noch täglich mehrfach geschieht. Uns und andere, denen dieses Unrecht angetan wurde, trifft es darum sehr, wie unzutreffend Herr Setz in seinem Text über die Auswirkungen mutmasst und damit unsichtbar macht, was wir Tag für Tag erleben und uns immer wieder fassungslos zurücklässt. Selbstverständlich sind auch wir beraubt worden, nicht allein der Genussfähigkeit oder der weiteren Fähigkeiten, die durch die natürliche Funktion dieses Körperteils ermöglicht werden, sondern vor allem der Gewissheit, dass uns ein unversehrter Körper und die Selbstbestimmung darüber zugestanden wird. In diesem Sinn erweitern wir Herrn Setz' Rat und Empfehlungen an sein jüngeres Ich zu einem allgemeinen Aufruf: Wagen wir es, die Gewähr des Rechts auf Genitale Selbstbestimmung für alle Menschen einzufordern!
Ephraim Seidenberg, Co-Präsident prepuce.ch
Manasseh Seidenberg, Co-Präsident prepuce.ch
Ergänzung vom 20. März 2022: Der Beitrag von Clemens J. Setz wurde heute auch auf Spiegel Online veröffentlicht (ohne Bezahlschranke).