Gewisse Fragen begegnen uns oft, daher listen wir eine Auswahl davon hier auf, zusammen mit unseren Antworten darauf (für weitere Fragen und vertiefte Informationen sind wir per Kontaktformular erreichbar):
- Wofür steht euer Vereinsname «prepuce.ch»?
- Wie kommt es, dass fast immer nur davon gesprochen wird, welche Vorteile es hat, wenn die Penisvorhaut abgeschnitten wurde, kaum jedoch über die Nachteile?
- Warum verwendet Ihr die Begriffe «Beschneidung» bzw. «beschnitten» nicht?
- Wollt ihr es verbieten, die Penisvorhaut abzuschneiden?
- Manche Menschen sehen es als Teil ihrer Religionsfreiheit, Kindern die Penisvorhaut abschneiden zu dürfen. Was sagt Ihr diesen Menschen?
- Oft heisst es, die Vorhaut sei «nur ein kleines Stück Haut». Ist es wirklich Körperverletzung, wenn sie abgeschnitten wird?
- Findet Ihr das Abschneiden der Penisvorhaut vergleichbar mit weiblicher Genitalverstümmelung?
- Eine Fachperson hat uns gesagt, dass unser Kind eine Phimose (Vorhautverengung) habe und es deshalb nötig sei, ihm die Vorhaut abzuschneiden. Ist das wirklich nötig?
- Was gibt es für Beschwerden, wenn die Penisvorhaut abgeschnitten wurde?
Wofür steht euer Vereinsname «prepuce.ch»?
Französisch «prépuce» oder Englisch «prepuce» kommt vom lateinischen «Praeputium», was in etwa «vorne am Penis» bedeutet. Wir haben diesen Begriff für unseren Vereinsamen gewählt, weil er im Gegensatz zu seiner deutschen Übersetzung «Vorhaut» den gemeinten Körperteil bezeichnet, ohne sich ausschliesslich auf die Haut zu beziehen. «Nur ein Stückchen Haut» wird oft abwertend gesagt, aus Unwissen darüber, dass Haut an sich schon ein komplexes Organ ist, dass die Vorhaut flächenmässig ca. die Hälfte der gesamten Penishaut ausmacht und sie überdies mehrere verschiedenartige Gewebeschichten mit speziellen Funktionen enthält (siehe dazu auch unsere Antwort zur letzten Frage). Unser Name «prepuce.ch» soll zur Bildung von mehr Bewusstsein über den Wert dieses Körperteils anregen.
Wie kommt es, dass fast immer nur davon gesprochen wird, welche Vorteile es hat, wenn die Penisvorhaut abgeschnitten wurde, kaum jedoch über die Nachteile?
Das liegt hauptsächlich daran, dass Unwissen und Vorurteile über die Penisvorhaut auch in Fachkreisen stark verbreitet sind und zugleich wenig Bewusstsein für ihre Funktionen und ihre wichtige Bedeutung in der Sexualität und anderen Lebensbereichen besteht (siehe dazu auch unsere Antworten zu Frage 8 und zu Frage 9 sowie unsere Analyse der Situation in der Schweiz). Diese Vorstellung, dass es es viele Vorteile habe, wenn die Vorhaut abgeschnitten ist, wird in der Regel auch betroffenen Kindern von Anfang an vermittelt. Das erschwert oder verunmöglicht es ihnen, ein Bewusstsein für die Folgen des Eingriffs bei sich selbst zu entwickeln. Viele schämen sich dafür, wenn sie darunter leiden und wenn sie sich trotzdem trauen, darüber zu sprechen, stossen sie in ihrem Umfeld oft auf Ablehnung statt auf Verständnis und Mitgefühl. Da es zudem insbesondere für Männer stark tabubehaftet ist, über Beschwerden im Zusammenhang mit den Genitalien zu sprechen, schweigen die meisten. Das führt zu einer gesellschaftlich einseitigen Wahrnehmung, in der das durch diesen nicht rückgängig zu machenden Eingriff verursachte Leid unsichtbar bleibt.
Warum verwendet Ihr die Begriffe «Beschneidung» bzw. «beschnitten» nicht?
Diese Begriffe sind beschönigend und verharmlosend. Sie erinnern an die Pflege von Obstbäumen zur Verbesserung der Ernte, statt zu beschreiben, was wirklich passiert. Wird die Penisvorhaut oder sonst irgendein Teil des Genitals abgeschnitten, wächst nichts mehr nach. Im Gegenteil, es bedeutet Schmerz, Blut, eine Verletzung, Wunde und Narbe. Dieser Teil des Körpers ist unwiederbringlich verloren.
Dazu kommt, dass mit dem Begriff «Beschneidung» je nachdem fundamental unterschiedliche Dinge gemeint sein können. Im besten Fall bezieht sich dieser auf eine nach wissenschaftlichen Standards durchgeführte Operation, zu der sich eine urteilsfähige Person nach vollumfänglicher Aufklärung selbstbestimmt entschieden hat. Mit demselben Begriff gemeint sein kann hingegen auch ein gewaltsamer Übergriff, bei dem ein wehrloses Kind festgehalten und ihm ohne jegliche Betäubung ein gesunder Körperteil abgeschnitten wird, noch dazu an der intimsten Stelle.
Es ist ein typisches Merkmal systematisch ausgeübter Gewalt, dass diese verharmlost oder sogar umgedeutet wird, unter anderem indem beschönigende Begriffe dafür verwendet werden. Wir wollen die Dinge so benennen, wie sie sind. Darum verwenden wir Begriffe wie «Abschneiden der Penisvorhaut» und «genitaler Zwangseingriff».
Wollt ihr es verbieten, die Penisvorhaut abzuschneiden?
Nein. Wir wollen, dass jeder Mensch über seinen Körper eine eigene und informierte Entscheidung treffen kann. Das heisst auch, dass es uns nichts angeht, wenn eine urteilsfähige Person sich – nach vollständiger medizinischer Aufklärung – die Penisvorhaut abschneiden lassen will. Für Kinder hingegen darf eine solche Entscheidung nur dann getroffen werden, wenn es medizinisch zwingend ist und dabei nicht aufgeschoben werden kann. Alles andere ist ein gewaltvoller Übergriff – oder eben Zwangseingriff –, vor dem in einem Rechtsstaat insbesondere Kinder zu schützen sind.
Manche Menschen sehen es als Teil ihrer Religionsfreiheit, Kindern die Penisvorhaut abschneiden zu dürfen. Was sagt Ihr diesen Menschen?
Keine Religionszugehörigkeit berechtigt dazu, anderen Menschen Gewalt zuzufügen und schon gar nicht, Kinder am Genital zu verletzen, ihnen einen Teil davon abzuschneiden. Wenn Menschen willkürlich über den Körper derer bestimmen, die sich nicht wehren können, ist das nichts anderes als das Recht des Stärkeren. Davon geht gerade für Minderheiten die grösste Gefahr aus. Echte Religionsfreiheit kann es darum auch nur mit dem Schutz körperlicher Selbstbestimmung geben.
Oft heisst es, die Vorhaut sei «nur ein kleines Stück Haut». Ist es wirklich Körperverletzung, wenn sie abgeschnitten wird?
Den Wert eines Körperteils bestimmt jede Person für sich selbst. Kein noch so kleines Stück Haut ist per se bedeutungslos, jeder noch so kleine Einschnitt eine Körperverletzung. Für die Penisvorhaut gilt das erst recht, sie macht ungefähr die Hälfte der gesamten Haut am Penis aus, entspricht in der Grösse etwa der Handfläche. Zudem enthält sie wichtige Blutgefässe, spezielle Muskulatur und hochempfindliche Nerven, die lustvolle Reize weitergeben. Sie erfüllt damit verschiedene, wichtige Funktionen in der Sexualität und anderen Lebensbereichen. Diesen hochintimen Körperteil abzuschneiden bedeutet einen lebenslangen Schaden.
Findet Ihr das Abschneiden der Penisvorhaut vergleichbar mit weiblicher Genitalverstümmelung?
Nein. Ein Penis ist nicht dasselbe wie eine Vulva, womit direkte Vergleiche per se nicht sinnvoll sind. Das gilt auch für Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, auch intergeschlechtlich genannt, die oft von Zwangseingriffen betroffen sind und in dieser Binärlogik schnell unsichtbar werden. Genitale Zwangseingriffe verursachen immer Leid, egal bei welchem Geschlecht.
Was dabei durchaus vergleichbar ist, sind die Motivationen und Haltungen dahinter. Sowohl bei den Zwangseingriffen an der Vulva als auch bei jenen am Penis wird von den Gewalt ausübenden Personen argumentiert mit Tradition, religiöser Pflicht, angeblichen gesundheitlichen Vorteilen oder Vorstellungen von sexueller Reinheit. In beiden Fällen wird das Kind als Eigentum der Eltern oder Gruppe angesehen, dem die Selbstbestimmung über den eigenen Körper nicht zusteht.
Das Recht jedes Menschen auf den eigenen Körper, auf genitale Selbstbestimmung, hat unabhängig vom Geschlecht zu gelten. Dass wir dieses einander zugestehen, gehört für uns zum Mindestmass an gegenseitigem Respekt in jeder freiheitlichen Gesellschaft.
Eine Fachperson hat uns gesagt, dass unser Kind eine Phimose (Vorhautverengung) habe und es deshalb nötig sei, ihm die Vorhaut abzuschneiden. Ist das wirklich nötig?
Die Vorhaut abzuschneiden ist nur in ganz seltenen Fällen tatsächlich medizinisch notwendig, aufgrund einer beschwerdefreien Phimose schon gar nicht. Dass die Vorhaut verengt ist, ist im Kindesalter ohnehin normal und gesund, sie ist nach der Geburt natürlicherweise durch eine spezielle Gewebeschicht fest mit der Eichel verbunden. Dieser Zustand wird auch als natürliche oder physiologische Phimose bezeichnet. Ab welchem Alter ein Kind seine Vorhaut hinter die Eichel zurückstreifen kann, ist sehr unterschiedlich, bei manchen Kindern ist das schon nach wenigen Jahren der Fall, bei anderen ist dieser Entwicklungsprozess erst Ende der Pubertät abgeschlossen. Bis dann kann von einer krankhaften Verengung, auch pathologische Phimose genannt, nur gesprochen werden, wenn das Kind zusätzliche Beschwerden hat, z.B. Schmerzen oder Probleme beim Wasserlassen. Bestehen solche Beschwerden, gibt es verschiedene Möglichkeiten, diese konservativ zu behandeln, z.B. mit einer Cortisonsalbe. Ein chirurgischer Eingriff ist hier das Mittel der letzten Wahl und selbst wenn ein solcher tatsächlich notwendig ist, gibt es bewährte vorhauterhaltende Operationstechniken (z.B. Triple Inzision), bei denen kein Gewebe entfernt wird. Leider schneiden ärztliche Fachpersonen in der Schweiz Kindern viel zu häufig mit unzutreffender medizinischer Begründung die Vorhaut ab, vermutlich sogar noch deutlich häufiger als ausschliesslich auf Wunsch der Eltern, z.B. mit kulturell-religiöser Absicht. Genaue Zahlen dazu wurden in der Schweiz bisher keine erhoben, was an sich bereits einen schwerwiegenden Missstand darstellt, da es der mit Abstand häufigste aller kinderchirurgischen Eingriffe ist. Noch schwerwiegender kommt hinzu, dass es in der Schweiz keinerlei wissenschaftlichen Standards zur Diagnose und Behandlung von Vorhauterkrankungen gibt. Ärztliche Fachpersonen in der Schweiz arbeiten hier nach eigenem Gutdünken, oftmals hauptsächlich anhand von tradiertem Wissen weitgehend ohne wissenschaftliche Grundlage. Trotzdem ist bei den von uns angefragten kindermedizinischen Organisationen und Einrichtungen weder die Erarbeitung entsprechender Standards geplant, noch werden bisher bereits entwickelte Standards aus anderen Ländern, die darin deutlich weiter sind, beachtet. Im Gegensatz dazu gibt es z.B. Deutschland seit dem Jahr 2017 die sorgfältig ausgearbeitete Leitlinie «Phimose und Paraphimose bei Kindern und Jugendlichen», die inzwischen bereits in einer überarbeiteten Fassung vorliegt. In Kliniken, welche diese Leitlinie anwenden, hat sich die Anzahl Eingriffe um ein Vielfaches verringert, was deutlich macht, dass davor viele unnötige Eingriffe vorgenommen wurden.
Wenn sie also von ärztlicher Seite die Empfehlung zur Operation bekommen, holen Sie sich unbedingt eine unabhängige Zweit- und allenfalls auch eine Drittmeinung ein. Bei Fragen dazu erreichen Sie uns über das Kontaktformular.
Was gibt es für Beschwerden, wenn die Penisvorhaut abgeschnitten wurde?
Voraussetzung für jegliches Verständnis der Folgen dieses Eingriffs ist ein grundlegendes Bewusstsein dafür, was dieser Körperteil, der dabei verloren geht, überhaupt ist und welche Funktionen er erfüllt.
Die Penisvorhaut macht ca. die Hälfte der Penishautfläche aus und besteht aus verschiedenen, spezialisierten Gewebeschichten (siehe Grafik weiter unten). Dazu gehören Aussen- und Schleimhautbereiche, sowie darunter bzw. je nach Position dazwischen liegendes Binde- und Muskelgewebe. Zusammen bilden diese Bestandteile am vorderen Teil des Penis eine gewissermassen ärmelartige Hülle. Sie schützt die Eichel nach aussen und hält sie mit dem Schleimhautbereich nach innen feucht. Diese Schleimhaut enthält enorm viele bewegungsempfindliche Nervenzellen, die beim Hin- und Herbewegen besonders viele lustvolle Empfindungen entstehen lassen. Am meisten dieser Nervenzellen hat es im Bereich des Vorhautbändchens (Frenulum), das die innere Vorhaut vorne unten mit der Eichel verbindet. Auch am Übergang der Vorhaut von aussen nach innen (gefurchtes Band) sind sehr viele solche Sinneszellen vorhanden. An diesen Stellen ist bei Masturbation und penetrativem Sex darum oft am meisten zu spüren.
Das Abschneiden der Vorhaut bedeutet also zunächst einen massiven Gewebe und Funktionsverlust, eine Verletzung, Wunde und Narbe. Die verbleibende Penishaut lässt sich kaum mehr bewegen, bleibt permanent nach aussen gekehrt, trocknet aus und wird unempfindlicher. Die Eichel, die besonders temperatur- und schmerzempfindlich ist, ist dauerhaft äusseren, unangenehmen Reizen ausgesetzt. Eine feine Bewegungswahrnehmung ist wegen der fehlenden Nerven nicht mehr gegeben.
Auftreten und Ausmass weiterer Beschwerden sind oft individuell unterschiedlich. Einige Beispiele sind die Verengung der Harnröhrenöffnung (Meatusstenose), durch Narbenbildung und verändertes Aussehen negatives Körpergefühl, Psoriasisbildung, verschiedene Arten von Schmerzen (verursacht durch Dehnung bei Erektion, durch Reibung bei Masturbation und Penetration, durch Druck beim Harnlösen, oder auch neuropathisch) und Schlafprobleme. Die Auswirkungen auf die Sexualität sind radikal, mit teilweise schwerwiegenden Beinträchtigungen. All das kann das psychische Wohlbefinden schwer belasten, umso mehr im Fall eines Zwangseingriffs.
Da zugleich das Bewusstsein gerade unter dafür zuständigen medizinischen Fachpersonen leider oft mangelhaft oder gar nicht vorhanden ist, finden Betroffene entsprechend meist nicht die Hilfe, die sie eigentlich benötigen, was ihr Leid zusätzlich erschweren kann.